Elektrische Sicherheit von Maschinen – nach EN 60204-1 konstruieren und prüfen

Das direkte oder indirekte Berühren spannungsführender Teile ist bekanntlich eine potentiell tödliche Gefahr. Nicht umsonst gibt es daher eine ausführliche Norm, EN 60204-1, die sich mit der elektrischen Sicherheit von Maschinen befasst. Was sind die wesentlichen Anforderungen der Norm, und welche Prüfungen sind an der fertigen Maschine durchzuführen?

Elektrische Sicherheit

Die Norm DIN EN 60204-1 (die inhaltlich identische VDE-Norm hat die Bezeichnung VDE 0113-1) heißt mit vollem Titel „Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen“. Damit wird klar, worum es geht: Die Norm legt fest, was bei der Konstruktion einer Maschine zu beachten ist, damit die Maschine sicher betrieben werden kann. Als harmonisierte Norm nach Maschinenrichtlinie hat sie auch eine besondere Bedeutung, wenn es um Haftungsfragen nach Unfällen geht und sollte daher (soweit die entsprechende Regelung sich auf eine tatsächlich bestehende Gefahr bezieht und nicht durch gleichwertige andere technische Maßnahmen das gleiche Schutzziel erreicht werden kann) unbedingt eingehalten werden.

Schutz gegen elektrischen Schlag

Ein großer Teil der Norm dreht sich – kaum überraschend – um den Schutz gegen elektrischen Schlag. Dabei wird (wie immer) unterschieden zwischen dem Schutz gegen direktes Berühren spannungsführender Teile, und dem Schutz gegen indirektes Berühren, also vor Kontakt mit Teilen, die durch einen Fehler spannungsführend geworden sind.

Der Schutz gegen direktes Berühren muss durch Gehäuse oder Isolierung aktiver Teile gewährleistet werden, ebenso dürfen keine gefährlichen Restspannungen anliegen (z.B. an Steckern, die gezogen wurden). Ein Gehäuse muss dabei werkzeuggesichert sein, der Zugang darf also nur mit einem Schlüssel (ein üblicher Schaltschrankschlüssel reicht dabei aus) oder Werkzeug möglich sein. Andernfalls müssen die berührbaren Teile spannungsfrei sein, bevor das Gehäuse geöffnet werden kann.  Falls ein Schutz durch Gehäuse, Abschaltung oder Isolierung nicht praktikabel umgesetzt werden kann, muss der Schutz durch andere Maßnahmen wie Abstände oder Hindernisse gewährleistet werden.

Der Schutz gegen indirektes Berühren wird in zwei Kategorien eingeteilt:

  • Maßnahmen, die das Auftreten gefährlicher Spannungen von vorneherein verhindern (z. B. Verwendung von Geräten der Schutzklasse II, also mit verstärkter oder doppelter Isolierung, oder Verwenden eines Trenntransformators zur Schutztrennung)
  • Schutz durch automatische Abschaltung der Versorgung im Fall eines Isolationsfehlers (z.B. durch Überstromschutzeinrichtungen und/ oder Fehlerstromschutzeinrichtungen)

Bei Verwendung von Schutzkleinspannung (PELV) werden nur ungefährliche Spannungen (also kleiner 50 VAC / 75 VDC) verwendet, so dass ein gesonderter Schutz gegen direkten oder indirekten Kontakt von spannungsführenden Teilen nicht gefordert ist.

Sonstige Anforderungen

Für den Schutz gegen indirektes Berühren spielt der Schutzpotentialausgleich über das Schutzleitersystem die zentrale Rolle. Dementsprechend detailliert werden die Anforderungen an den Potentialausgleich festgelegt.

In weiteren Abschnitten der Norm geht es um Anforderungen zum Schutz der Ausrüstung und um die Gestaltung von Steuerstromkreisen und Steuerfunktionen. Darunter sind auch sicherheitstechnische Festlegungen, beispielsweise für Not-Aus- / Not-Halt-Einrichtungen und andere Sicherheitsfunktionen. Auch Maßnahmen zur Risikominderung bei möglichem Ausfall der Steuerfunktionen im Fehlerfall werden berücksichtigt. Darüber hinaus werden Festlegungen zu Schaltgeräten, Leitern, Leitungen, Kabeln und Verdrahtung sowie Elektromotoren getroffen.

Prüfungen

Die Norm regelt auch den in der Praxis wohl wichtigsten, trotzdem aber regelmäßig Probleme aufwerfenden Punkt: Welche konkreten Prüfungen muss ich an meiner Maschine vornehmen?

Falls es eine spezifische Produktnorm (Typ-C-Norm) für einen bestimmten Maschinentyp gibt, sind dort auch die geforderten Prüfungen beschrieben. Andernfalls gelten die Anforderungen aus der EN 60204/1 (VDE 0113-1).

Vier Punkte müssen in jedem Fall geprüft werden:

  1. Stimmt die elektrische Ausrüstung der Maschine mit der technischen Dokumentation überein?
  2. Ist der Schutzleiterwiderstand ausreichend gering?
  3. Ist die automatische Abschaltung der Versorgung im Fehlerfall gewährleistet? (Dieser Punkt muss natürlich nicht geprüft werden, falls der Schutz anderweitig sichergestellt wird, z.B. durch Schutzkleinspannung)
  4. Funktioniert die elektrische Ausrüstung einwandfrei?

Für die Punkte 2. und 3. sind Messungen erforderlich.

Schutzleiterwiderstand

Der Schutzleiterwiderstand ist zwischen der PE-Klemme (die Klemme für den Anschluss an das externe Schutzleitersystem) und allen berührbaren leitfähigen Oberflächen von Geräten der Schutzklasse I, allen Schutzpotentialausgleichsverbindungen und ggf. allen Schutzleiteranschlüssen an integrierten Steckdosen zu messen. Gemessen wird mit mindestens 0,2 A bis 10 A Prüfstrom, der gemessene Widerstand muss der erwarteten Größenordnung entsprechen, die sich aus Länge, Querschnitt und Material des Schutzleiters ergibt.

Prüfung der automatischen Abschaltung der Versorgung im Fehlerfall

Um zu überprüfen, ob die automatische Abschaltung der Versorgung im Fehlerfall gewährleistet ist, wird für TN-Systeme erstens wie oben der Schutzleiterwiderstand geprüft (Für TT- und IT-Systeme gelten andere Festlegungen).

Zweitens muss die Fehlerschleifenimpedanz überprüft werden. Dies kann entweder durch Berechnung oder durch eine Messung erfolgen. Vor der Prüfung sind die Anschlüsse der Energieversorgung und die Verbindung des Schutzleiters an die PE-Klemme der Maschine durch eine Sichtprüfung zu überprüfen - eine unterbrochene Schutzleiterverbindung kann während der Messung den Prüfer oder andere Personen in Gefahr bringen!

Die Norm lässt wie oben beschrieben die Überprüfung der Fehlerschleifenimpedanz durch Berechnung zu. In der Praxis ist aber zu empfehlen, in jedem Fall eine Messung durchzuführen, da der tatsächliche Zustand der Leitungen von der Planung abweichen kann. Nur durch eine Messung kann sichergestellt werden, dass im Fehlerfall tatsächlich eine Abschaltung erfolgt.

Der Sollwert für die Fehlerschleifenimpedanz Zs ergibt sich aus der Bemessungsspannung U0 (Spannung gegen Erde) und dem Strom Ia, der die automatische Abschaltung durch die Überstromschutzeinrichtung innerhalb einer je nach Bemessungsspannung festgelegten Zeit bewirkt:

                                                                           Zs x Ia ≤ U0

U0 [Effektivwert in V]

Maximale Abschaltzeit [s]  (TN-System)

120

0,8

230

0,4

277

0,4

400

0,2

> 400

0,1

Diese Abschaltzeiten gelten für ortsveränderliche Betriebsmittel, für ortsfeste Maschinen sind 5 s Abschaltzeit ausreichend.

Weitere Prüfungen

Ob weitere Prüfungen erforderlich sind, ergibt sich aus der Risikobeurteilung für die Maschine, mit deren Hilfe die relevanten Risiken und das daraus abgeleitete Schutzkonzept der Maschine bestimmt wird.

Mögliche Prüfungen sind:

  • Isolationswiderstandsprüfung (Sollwert: min. 1 MΩ bei Messung mit 500 V Gleichspannung)
  • Spannungsprüfung (kein Durchschlag bei doppeltem Wert der Bemessungsspannung, mindestens 1000 V)
  • Schutz gegen Restspannung (max. 60 V innerhalb von 5 s nach Ausschalten der Versorgung)
  • Eine Messung von Ableit- oder Berührungsströmen wird von der Norm zwar nicht gefordert, kann aber je nach Maschine durchaus sinnvoll sein

Dieser Artikel wurde erstellt am 07.10.2020
Ihr Ansprechpartner bei SafetyKon: Dr. Johannes Korn (Johannes.Korn@SafetyKon.de)

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