Die wichtigsten Normen im Maschinenbau

Normen sind wichtige Werkzeuge, um die Anforderungen der verschiedenen CE-Richtlinien rechtssicher zu erfüllen. In der Praxis gibt es verschiedene Normen, die immer wieder gebraucht werden, um Produkte sicher und damit CE-konform zu konstruieren.

Aus der Flut an Normen die tatsächlich relevanten und wichtigen Normen herauszufinden, ist keine einfache Übung. Dabei sollte bei einer Normenrecherche keineswegs nur nach Stichwörtern gesucht werden, vielmehr ist die Wertigkeit der Norm (also insbesondere ob es sich um eine unter einer CE-Richtlinie anerkannte harmonisierte Norm handelt oder nicht) unbedingt zu berücksichtigen. Im Folgenden soll ein Kurzüberblick über die im Rahmen der CE-Konformitätsbewertung von Maschinen wichtigsten Normen gegeben werden.

(DIN) EN ISO 12100 - Risikobeurteilung

Die EN ISO 12100 ist eine A-Norm, also eine übergeordnete Norm, die sich mit grundlegenden Sicherheitsanforderungen für Maschinen befasst. In dieser Norm werden die Grundlagen für Risikobeurteilungen festgelegt. Die Maschinenrichtlinie fordert ausdrücklich die Durchführung einer Risikobeurteilung (oft auch als Risikoanlayse oder Gefahrenanalyse bezeichnet), und die Durchführung risikomindernder Maßnahmen, die sich dieser Risikobeurteilung ergeben. Andere Richtlinien wie die Niederspannungs , Druckgeräte- und ATEX-Richtlinie schreiben als Teil der technischen Unterlagen eine „geeignete Risikoanalyse und –bewertung“ vor. Für komplexere Produkte, die von diesen Richtlinien erfasst werden, kann es durchaus sinnvoll sein, eine ausführliche Risikobeurteilung zu erstellen.

In der EN ISO 12100 finden sich Informationen zur Festlegung der Grenzen einer Maschine (bestimmungsgemäße Verwendung, Fehlanwendungen, Gefahrenbereiche, Schnittstellen, Lebensdauer etc.), Grundlagen der Risikobewertung sowie das grundsätzliche Vorgehen zur Risikominderung. 

In den Anhängen der Norm stehen nützliche Listen zur Verfügung, wie Beispiele zu möglichen Gefährdungen und Gefährdungssituationen, außerdem ein dreisprachiges Fachwörterverzeichnis, das für Übersetzungen sehr hilfreich sein kann. (DIN) EN ISO 13849-1 und EN ISO 13849-2 – Funktionale Sicherheit

Die EN ISO 13849 gehört zu den B-Normen, sie ist also eine Norm, die definierte Sicherheitsaspekte festlegt. Die Norm befasst sich mit der Gestaltung und Integration von sicherheitsbezogenen Teilen von Maschinensteuerungen. Sie gilt für alle Arten von Maschinen, unabhängig von der verwendeten Technologie egal ob elektrisch, hydraulisch oder mechanisch.

Im ersten Teil, EN ISO 13849-1, werden Anforderungen an die Gestaltung von Sicherheitsfunktionen beschrieben, und wie diese vom Sensor bis zum Aktor je nach Anforderung der sicherheitstechnischen Zuverlässigkeit gestaltet und bewertet werden können. 

Insbesondere wird in der Norm der Begriff des Performance Level definiert, der das Maß der Ausfallsicherheit von Sicherheitseinrichtungen beschreibt (Performance Level, PL) und die Methode bereitstellt, mit der ermittelt wird, welches Maß an Ausfallsicherheit für einen konkreten Sicherheitskreis tatsächlich erforderlich ist (Performance Level required, PLr). Das Maß der Ausfallsicherheit wird in fünf Stufen von a (niedrigste Stufe) bis e (höchste Stufe) unterteilt.

Darüber hinaus beschreibt die Norm verschiedene Architekturen von Sicherheitskreisen, die in fünf Kategorien (die sog. Schaltkategorien) eingeteilt werden und je nach Kategorie unterschiedliche Performance Level erreichen können. Zu Fragen der Anwendung der Norm ist der IFA Report 2/2017 sehr zu empfehlen, der ausführliche Erläuterungen zur Norm, zum Begriff der funktionalen Sicherheit und zur Validierung des von einem Sicherheitskreis tatsächlich erreichten Performance Levels mit der Software SISTEMA enthält.

(DIN) EN 60204-1 (VDE 0113-1) – Elektrische Ausrüstung von Maschinen

EN 60204-1 „Sicherheit von Maschinen – Elektrische Ausrüstung von Maschinen Teil 1: Allgemeine Anforderungen“ gilt für die elektrische und elektronische Ausrüstung von Maschinen und legt für diese Sicherheitsanforderungen fest. Zur Validierung dieser Anforderungen werden hier auch die elektrischen Prüfungen festgelegt, die vor Inbetriebnahme einer Maschine durchgeführt werden müssen. 

Die EN 60204-1 ist zwar als harmonisierte Norm unter der Maschinenrichtlinie aufgeführt. Zu beachten ist aber, dass bei Anwendung der Norm keine generelle Vermutungswirkung gilt, dass die elektrische Ausrüstung der Maschine die Anforderungen der Maschinenrichtlinie komplett erfüllt. Deshalb sind in Anhang ZZ der Norm die Abschnitte von Anhang I der Maschinenrichtlinie aufgeführt, die von der EN 60204-1 abgedeckt werden.  

(DIN) EN 349: Sicherheit von Maschinen – Mindestabstände zur Vermeidung des Quetschens von Körperteilen

Diese Norm (harmonisierte Norm zur Maschinenrichtlinie) legt unter anderem fest, welche Mindestabstände zwischen Teilen einer Maschine eingehalten werden müssen, um das Quetschen von Körperteilen zwischen diesen Teilen zu vermeiden. Je nach Körperteil sind unterschiedliche Mindestabstände erforderlich.

(DIN) EN ISO 13857: Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen mit den oberen und unteren Gliedmaßen

In dieser Norm (harmonisierte Norm zur Maschinenrichtlinie) geht es um die Abstände, die erforderlich sind, um zu verhindern, dass ein Gefahrenbereich erreicht werden kann. Dabei wird festgelegt, welche Abstände von einem Hindernis zum Gefahrenbereich (Schutzzaun, Überstiegsschutz etc.) notwendig ist, um ein Erreichen von gefährlichen Stellen zu verhindern. 

So können zum Beispiel die nötigen Höhen von Schutzzäunen berechnet werden oder die Abstände von Öffnungen in trennenden Schutzeinrichtungen zu den Gefahrenbereichen dahinter.

(DIN) EN 60529: Schutzarten durch Gehäuse (IP-Code):

Die Norm setzt die auch technischen Laien bekannten IP-Klassen von Produkten fest. Rein formal handelt es sich bei ihr um eine unter der Niederspannungsrichtlinie harmonisierte Norm, die für elektrische Betriebsmittel Klassen für den Schutz gegen Eindringen von Festkörpern (und damit auch den Schutz vor Berührung elektrisch aktiver Teile) und den Schutz gegen Eindringen von Wasser festlegt. 

Der IP-Code, mit dem der Schutzgrad des Gehäuses bezeichnet wird, besteht aus zwei Ziffern, die den Schutz vor Berührung bzw. Festkörpern und vor Eindringen von Wasser beschreiben. 

Die Schutzart sollte nicht mit der Schutzklasse verwechselt werden, die in der Elektrotechnik Geräte anhand von Schutzmaßnahmen gegen indirektes Berühren von spannungsführenden Teilen einteilt, z.B. durch Schutzleiteranschluss oder durch doppelte Isolierung.  

Exkurs: „Fingersicher“

Interessant für Maschinenbauer ist oft die Frage, wann eine Gefährdung „fingersicher“ abgesichert ist. Laut EN ISO 13857 ist eine schlitzförmige Öffnung von ≤ 6 mm Länge so klein, dass ein Finger weniger als 10 mm eindringen kann (Mindestabstand zur Gefährdung 10 mm). Für eine Öffnungsgröße von ≤ 10 mm wird schon davon ausgegangen, dass ein Finger eindringen kann, hier wird ein Mindestabstand von 80 mm gefordert. Dies ist eine deutliche Diskrepanz zu EN 60529, nach der ein Gehäuse bereits als (elektrisch) fingersicher gilt, wenn ein Prüffinger mit Durchmesser ≥ 12,5 mm nicht eindringen kann (IP2X). Hier besteht offensichtlich ein Ermessensspielraum in der Beurteilung der Öffnungsgröße. Im Einzelfall wird am besten durch eine systematische Risikobeurteilung geklärt, welcher Sicherheitsabstand für welche Öffnungsgröße erforderlich ist.

Begrenzung von Kraft und Druck

(DIN) EN 61010-1

Im Rahmen der Risikobeurteilung stellt sich regelmäßig die Frage, ab welchen Kräften realistischerweise mit Personenschäden zu rechnen ist bzw. wie ein Risiko durch Begrenzung der wirkenden Kräfte gemindert werden kann. Um die Kräfte auf ein im CE-Sinne „sicheres“ Maß zu begrenzen, ist es natürlich wichtig, die relevanten Grenzwerte zu kennen. Die Norm EN 61010-1 („Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte - Teil 1: Allgemeine Anforderungen“), eine harmonisierte Norm nach der Niederspannungsrichtlinie, gibt zwei verschiedene Grenzwerte an: Für anhaltenden Kontaktdruck ist der Grenzwert 50 N/cm² bei einer maximalen Kraft von 150 N. Für kurzzeitige Einwirkung gibt die Norm den Grenzwert von 250 N für eine Dauer von 0,75 s an. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Fläche, die auf den Körper wirkt, mindestens 3 cm² groß ist.

ISO/TS 15066: Begrenzung von Kraft und Druck für kollaborierende Roboter

Für kollaborierende Roboter legt ISO/TS 15066 (bisher eine Vornorm, keine harmonisierte Norm) ebenfalls unterschiedliche Grenzwerte für transienten Kontakt (vorübergehender Kontakt, Stoß) und quasistatischen Kontakt (anhaltender Kontakt, „Druck“) fest. Die Grenzwerte variieren je nach der Körperregion, an der der Kontakt stattfindet.


Dieser Artikel wurde erstellt am 07.01.2020
Ihr Ansprechpartner bei SafetyKon: Dr. Johannes Korn (Johannes.Korn@SafetyKon.de)

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