CE-Kennzeichnung für kollaborierende Roboter

Kollaborierende Roboter ("Cobots") können ohne Schutzeinrichtungen wie Zäune oder Lichtvorhänge betrieben werden, wenn sie mit einer sicheren Leistungs- und Kraftbegrenzung betrieben werden. Der Einsatz kollaborierender Roboter wird immer populärer, aber welche Besonderheiten sind bei der CE-Zertifizierung von Robotersystemen mit kollaborierenden Robotern zu beachten?

Normen für kollaborierende Roboter

Robotersysteme mit kollaborierenden Robotern (auch „Cobots“, von „collaboration“ und „robot“) brauchen wie alle Industrieroboter eine CE-Zertifizierung nach Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Die einschlägigen harmonisierten Normen für Industrieroboter sind EN ISO 10218-1 und EN ISO 10218-2. Weitere Leitlinien sind in der Technischen Spezifikation ISO/TS 15066 festgelegt.

Formen der Kollaboration

In EN ISO 10218-1 werden vier verschiedene Formen der Kollaboration beschrieben, die je nach Anwendung auch miteinander kombiniert werden können. Die genaue Ausgestaltung der Sicherheitsfunktionen in diesen verschiedenen Szenarien muss für das jeweilige Robotersystem immer durch eine systematische Risikobeurteilung ermittelt werden.

1. Sicherheitsbewerteter überwachter Halt

Hier bewegt sich der Roboter ohne Beschränkungen, bis eine Person den Bewegungsraum des Roboters betritt, um z.B. den Endeffektor des Roboters auszutauschen. Bei Annäherung einer Person muss der Stillstand des Roboters mit dem durch die Risikobeurteilung ermittelten Performance-Level ausgelöst werden. Personen haben nur Zutritt zum stillstehenden Roboter.

2. Handführung

Auch hier muss der Roboter stillstehen, wenn eine Person seinen Bewegungsraum betritt. Bewegungen des Roboters werden dann durch Handführung ausgelöst. Der Roboter kann so die händische Bewegung unterstützen. Auf diese Weise wird eine Kollision des Roboterarms mit der Person verhindert.

3. Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung

In dieser Form der Kollaboration kann sich eine Person während der Roboterbewegung im Bewegungsraum des Roboters aufhalten. Die Sicherheit der Person wird hier durch Aufrechterhaltung eines Mindest- Sicherheitsabstands gewährleistet. Bei Unterschreiten des Sicherheitsabstands muss der Roboter sofort gestoppt werden. Die Berechnung des Sicherheitsabstands wird in der technischen Spezifikation ausführlich beschrieben.

4. Leistungs- und Kraftbegrenzung

In dieser Betriebsweise ist ein Kontakt zwischen Personen und dem Robotersystem zulässig. Das Robotersystem ist so ausgelegt, dass Kraft und Leistung des Roboters auf für Personen ungefährliche Werte begrenzt sind.

Grenzwerte für die Leistungs- und Kraftbegrenzung

Die technische Spezifikation ISO/TS 15066 legt Grenzwerte für Kraft, Leistung und Geschwindigkeit des Roboterarms fest, die bei direkter Berührung des Roboters mit verschiedenen Körperteilen maximal zulässig sind. Die Grenzwerte sind je nach gefährdeter Körperregion unterschiedlich, da verschiedene Regionen auch unterschiedlich schmerzempfindlich sind. Die technische Spezifikation unterscheidet zwischen „quasistatischem“ Kontakt (Einklemmen oder Quetschen) und „transientem“ Kontakt (Kollision zwischen Körperteilen und Roboterarm inkl. Nutzlast). Kontakte mit empfindlichen Regionen wie Schädel, Stirn oder Gesicht müssen laut DIN ISO/TS 15066 vermieden werden, wenn es vernünftigerweise durchführbar ist, deshalb werden hier für den transienten Kontakt auch keine Grenzwerte angegeben.

Bei transientem Kontakt sind die Geschwindigkeit und die Masse von Roboterarm inkl. Nutzlast ausschlaggebend. Aus dem Zusammenwirken von Geschwindigkeit beim Auftreffen und Masse des Roboterarmes mit Nutzlast lässt sich die Kraft errechnen, die bei der Kollision wirksam wird. Hieraus ergibt sich die maximal zulässige Geschwindigkeit für den Roboterarm.

Bewertung des gesamten Systems

Auch wenn die Hersteller dies oft anders suggerieren, können kollaborative Roboter nicht einfach „wie gekauft“ aufgestellt und verwendet werden. Vielmehr müssen erst die Parameter bestimmt werden, innerhalb derer sie sicher und rechtskonform eingesetzt werden können. Diese Faktoren fließen dann in die erforderliche Sicherheitsdokumentation (Risikobeurteilung, Gefährdungs­beurteilung) ein. Eine Risikobeurteilung ist zwingend erforderlich und auch gesetzlich vorgeschrieben.

Von besonderer Bedeutung sind dabei die saubere Ermittlung und dokumentierte Festlegung der Grenzen, innerhalb derer ein sicherer kollaborierender Betrieb zulässig ist. Insbesondere Kraft, Geschwindigkeit und Gestaltung des Arbeitsraums sind hier relevant. Dabei muss die ganze Anlage aus Roboter, Werkzeug (Greifer etc.), dem bewegten Werkstück und der Aufstellumgebung betrachtet werden.  Bei ungefährlichem Effektor und Werkstück (keine scharfen Kanten etc.) ist volle Kollaboration möglich. Ein Beispiel hierfür ist ein System mit Vakuumsauger als Effektor und einem Werkstück ohne scharfe Kanten. Bei gefährlichen Werkzeugen (z.B. Schweißroboter mit spitzem Schweißdraht) oder Werkstück (z.B. mit scharfen Kanten) müssen individuelle Lösungen gefunden werden. Darin haben wir langjährige Erfahrung aus diversen Projekten. Sprechen Sie uns an!


Dieser Artikel wurde erstellt am 22.06.2024
Ihr Ansprechpartner bei SafetyKon: Dr. Johannes Korn (Johannes.Korn@SafetyKon.de)

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